Phenomena
Im Sommer 2015 ist Markus Guschelbauer einer Einladung des BAER-Art Centers nach Island gefolgt und dort auf eine Landschaft gestoßen, der die Ausstellung hier gewidmet ist. Sie ist ganz anders, als die in unseren Breiten, ganz anders ruhig. Sie ist überwiegend flächig und von weiten Wasser- und Himmelsflächen bestimmt; die Natur zeichnet sich durch einen hohen Abstraktionsgrad aus. Und: man stößt auf Licht, das jeden Fotografen staunen lässt, das die Motive unglaublich klar erscheinen lässt und allein die Tatsache, dass man in der Nacht bei Tageslicht arbeiten kann, ist eine Herausforderung.
Also hat Markus Guschelbauer den Blick, der sonst ungehindert in die Weite schweift, angehalten, ihn mit einem nahen Objekt verstellt, denn es galt, der beinahe aufdringlichen, weil ungebrochenen Natürlichkeit etwas Künstliches entgegensetzen: Rohre, Schläuche, Bojen, Felgen usw., Dinge, die er vor Ort gefunden hat, Materialreste, die ihrerseits anderswo funktionell eingesetzt sind. Geschliffen und lackiert wurden sie zu Objekten, die wiederum funktionelle Assoziationen provozierten, Beobachtungsgeräte oder Geräte, um die Landschaft oder das Wasser zu vermessen. Vielleicht muss man – um die Dimension einer solchen Landschaft zu begreifen – sie durch den Vergleich mit einem Objekt, das dem menschlichen Format entspricht, „dingfest“ machen; und durch den Ausschnitt, den der Fotoapparat festlegt, gibt man der Weite einen Rahmen, bringt sie auf eine Größe, die man besser begreifen kann.
Formal greifen die Objekte die Linien der Landschaft auf, Bewehrungseisen kommen genau vor dem Horizont zu liegen und verdecken diesen, ein anderes Mal ist ein senkrechtes Rohr mit Boje wie eine Y-Koordinate als Gegenstück zur Horizontlinie aufgestellt, oder Luftballone folgen dem Lauf des Bewässerungsgerinnes. Es ist ein Spiel mit Entfernungen und Maßstäben, ein Spiel mit der Raumtiefe, der die nahen Objekte widersprechen.
Letztlich sind es Themen der Kunst – Line, Fläche und Farbe – die Markus Guschelbauer damit ins Bild holt, die auf die Natur treffen, Geometrisches trifft auf Organisches, Konstruiertes auf Gewachsenes, Realität auf Spiegelbild – ein vorn übergebeugtes Rohr etwa betrachtet sein Spiegelbild im Wasser. Formal anregend sind auch die isländischen Geothermalkraftwerke, die großflächig Rohre zur Gewinnung der Erdwärme in die Landschaft verlegen, und an Landartprojekte erinnern.
Das zentrale Bild der Ausstellung ist eine bestechend schöne Aufnahme, in der die Ästhetik der Natur ohne Eingriffe bleibt. Es ist der Blick auf einen Gletschersee, der eine eigene Künstlichkeit hat, fast wie eine Studioaufnahme vor einer Fotoleinwand mit bizarren, klaren Eisteilen und ihren Spiegelungen inszeniert scheint. Das entsprechende Naturschauspiel mit Originalton läuft im Keller-Kino: Auf einem Video ist derselbe See zu sehen, der gerade von der heimischen Vogelpopulation heimgesucht wird. Da der See mit dem Meer verbundene ist, werden bei Flut kleine Fische und Nährstoffe heranschwemmt und die Vögel zur Nahrungsaufnahme angelockt – im Vergleich zur Standaufnahme, schwillt der Gletschersee im Video zu einem formatfüllenden Treiben aus flatternden Vögeln und vorbeiziehenden Eisbrocken an.
Die Verschränkung von Landschaft und künstlerische Formen kommt schließlich auch im Ausstellungsraum ins Spiel, wenn Markus Guschelbauer Displays baut, die wiederum aus Linien, Flächen, Farben und Volumen bestehen, die ebenso aus gefundenen Materialien gebaut sind, die Farben aus den Landschaften zitieren oder Rohre aus den Bildern holen, Sand oder Steine von den Aufnahmeorten integrieren. Das Dargestellte drängt in den Raum hinaus, der Außenraum erfährt im Innenraum eine Fortsetzung, und damit findet die Fotografie auch mal einen anderen Platz, als nur an der Wand.
Ruth Horak / KroArtContemporary / 2016
Markus Guschelbauer
Schönbrunner Straße 38
1050 Wien / Austria
m: +43 676 738 70 74
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